Große, ernste Themen: "Der Handel deines Lebens" von Fredrik Backman

Der Handel deines Lebens von Fredrik Backman

Es ist mal wieder soweit: Ein freier Nachmittag, der es mir ermöglicht, meiner Bücherlust zu fröhnen. Nichts wie ab in den Buchladen meines Vertrauens und hemmungslos schmökern. Cover durchsehen. Klappentexte lesen. Und dann hüpft mir dieses kleine Büchlein entgegen: "Der Handel deines Lebens" von Fredrik Backman. Vom Autor habe ich bisher nichts gehört. Aber das Thema spricht mich an. Und der oberste Satz auf der Rückseite des Buches bringt mich dazu, dieses Werk einzupacken. Er lautet "Wenn du alles opfern müsstest - für wen wärst du bereit dazu?"

Die Handlung

Die Geschichte handelt von einem fünfjährigen Mädchen, das an Krebs erkrankt ist, im Krankenhaus liegt und weiß, dass sie eher früher als später sterben wird. Und von einem 45jährigen, ebenfalls krebskranken Mann. Einer, der sich selbst bisher als Siegertypen im Leben gesehen hat. Der reich und bekannt ist. Und einer Frau im grauen Strickpulli mit Aktenordner - ein Sinnbild für den Tod. 

 

Das Mädchen stellt sich mutig den Tatsachen und macht sich gemeinsam mit ihrem Stofftier "Ninchen" und einem Stuhl, den sie rot bemalt, daran, wichtige Fragen rund um den Tod zu klären. Sie begegnet eines Nachts dem Mann. Getriggert durch diese Begegnung macht der Mann sich Gedanken um die Beziehung zu seinem Sohn, dem er nie wirklich ein Vater gewesen ist, weil er seine Zeit hauptsächlich seinem Job gewidmet hat. Den er später nur kritisiert hat, weil er andere Wertvorstellungen lebt als er selbst. Und er reflektiert, dass er viel zu oft seinen Tagesablauf danach gerichtet hat, sich abends zu betrinken. 

 

Trotzdem der Mann Schwierigkeiten hat, sich auf Beziehungen einzulassen, verspricht er dem Mädchen, darauf aufzupassen, dass die Frau im grauen Pulli sie nicht direkt holt. Er erinnert sich daran, wo er diese bereits überall gesehen hat. Zum Beispiel bei seiner Geburt, als sein Bruder tot zur Welt kam. Als sie ihn gewarnt hat vor einem herannahenden Zug, vor glatten Felsen. Und auch beim Tod seiner Eltern. Eines nachts im Krankenhaus begegnet er der Frau im grauen Pulli bewusst. Entscheidet sich dazu, nicht wegzulaufen. Sie gesteht ihm, ihm aus Versehen in die Augen geschaut zu haben und Mitleid mit ihm entwickelt zu haben, obwohl man das in ihrem Job nicht haben dürfte. 

 

Die Frau teilt ihm mit, dass er morgen erfahren wird, dass er wieder gesund ist und noch lange leben wird. Sie sei nicht wegen ihm hier. Und er sieht, wie sie das Zimmer des Mädchens betritt, das tags darauf operiert werden sollte. 

 

Der Mann zeigt daraufhin eine starke emotionale Regung. Er fährt mit seinem Auto los und verursacht einen Unfall. Im Begriff, sich selbst für das Mädchen zu opfern. Als er blutend am Boden liegt, erklärt die Frau im grauen Pulli ihm, dass sie nur ein Leben für ein Leben eintauschen könne, nicht einen Toten gegen einen anderen. "Wenn Du also Dein Leben opferst, verschwindet es. Aber das heißt nicht nur, dass Du stirbst, sondern auch, dass Du nie existiert hast. Und sich niemand an Dich erinnern wird."

 

Die Frau führt den Mann zu seinem Sohn, um ihm zu zeigen, was er aufgibt. Sie begegnen einander in der Bar, in der der Sohn arbeitet. Dieser hält die Frau und seinen Vater für ein Paar, gibt den beiden Drinks und wünscht seinem Vater frohe Weihnachten. Mann und Frau verlassen die Bar, ohne dass er seinem Sohn gesagt hätte, wie stolz er auf ihn ist. 

 

Wird der Mann wirklich sein Leben für das des kleinen Mädchens opfert? 

Cover Der Handel deines Lebens
Auf diesem Bild bin ich absichtlich zu sehen, denn es geht irgendwie in dem Buch auch um Schatten, die einen begleiten.
Illustration Der Handel deines Lebens
So sehen die Bilder im Buch aus. Für mich beleuchten sie eher unwichtige Details. Unnötig aus meiner Sicht.
Textbeispiel Der Handel deines Lebens
Hier ein Beispiel vom Dialog zwischen dem Mann und dem Mädchen

 

Anmerkung: Fotos von mir erstellt, Bild- und Textrechte Copyright Goldmann Verlag

Themen und Botschaft

Bereits im Vorwort erklärt Backman uns, dass er diese Geschichte mitten in einer Dezembernacht geschrieben hat. Nach einem Jahr, in dem er sich zu viel vorgenommen hat. In einer Situation, in der er darüber nachdachte, welche Entscheidungen Menschen treffen und welche Konsequenzen das hat. In der er darüber sinnierte, was es bedeutet, eine Familie zu gründen und somit die Hauptrolle im eigenen Leben abzugeben. Was eigentlich Selbstlosigkeit bedeutet und für wen man bereit wäre zu sterben. Spannende Fragen, die es sich lohnt, sie einmal für sich zu beantworten. 

 

Das Buch schneidet zunächst das Thema an, wie wir mit dem Tod umgehen. Verdrängen oder überspielen wir die Wahrheit wie die Mutter, die mit der Tochter immer "Was willst Du werden wenn Du groß bist?" spielt? Oder befassen wir uns damit?

 

Der Tod wird in der Geschichte "anfassbar" gemacht, indem er mit der Frau eine Gestalt bekommt. Sie gibt an, sich nicht über ihren Job zu definieren. Sie habe auch Hobbies. Und sie zeigt gegenüber dem Mann Gefühle. Macht so eine Metapher den Tod weniger gruselig? Oder den Abschied weniger einsam?

 

Das Buch wirft die Frage auf: Was bleibt von uns nach dem Tod? Geraten wir in Vergessenheit? Worin leben wir weiter? In den Kindern? In Wissen, das wir hinterlassen? 

 

Es wird die Frage angeregt, ob schwere Erkrankung eigentlich eine Art Freifahrtschein ist. Darf man da alles, weil alle verständnisvoll mit dem Kopf nicken? Das Mädchen sagt dazu: "Ich darf Möbel bemalen, ich habe Krebs." 

 

Es wird eine Wahrheit ausgesprochen. Nämlich, dass Elternschaft manchmal anstrengend ist. So heißt es im Buch "Alle Eltern brauchen immer mal wieder zehn Sekunden im Treppenhaus, den Wohnungsschlüssel schon in der Hand, bevor sie ihn ins Schloss stecken." Und keiner mag es wirklich zugeben. Eltern der Welt, verbindet und verbündet euch. Es ist so wichtig darüber zu reden, dass einen dieses Familienleben oft (über-)fordert. Es ist wichtig, darüber zu sprechen. Denn Alleinsein damit macht den Druck noch größer. 

 

Das Buch regt die Frage an, ob, wenn man sich für eine Familie entscheidet, dann nach wie vor den eigenen Weg gehen darf (wie der Mann) oder ob man nur ein guter Vater/eine gute Mutter ist, wenn man sich hintanstellt. 

 

Es wirft die Frage auf, inwieweit man beeinflussen kann, was aus den eigenen Kindern wird, welchen Weg sie einschlagen, welchen Charakter sie entwickeln. 

 

"Ist er auch glücklich? Glück ist eher ein Gefühl für Kinder und Tiere, es hat keinerlei biologische Funktion. Glückliche Menschen erschaffen nichts." Diese Worte regen an, darüber nachzudenken, was Glück eigentlich ist. Ob man selbst glücklich ist und was dann daraus entsteht, wenn ja oder nein die Antwort ist. Ist Glücklichsein ein erstrebenswertes Ziel? 

 

Für wen ist dieses Buch geeignet

  • Alle, die sich trauen, sich mit dem Thema Tod zu beschäftigen
  • Alle, die nicht vor dem Thema krebskrankes Kind zurückschrecken
  • Alle Eltern
  • Alle, die auf Sinnsuche sind
  • Alle, die dem Leben mehr Leben einhauchen möchten
  • Alle, die Denkanstöße suchen

Zum Autor Fredrik Backman

 

Fredrik Backman (* 1981 in Stockholm) ist ein schwedischer Bestseller-Autor mit bisher über 20 Millionen verkauften Büchern. In Helsingborg aufgewachsen, studierte er zunächst Religionswissenschaften. Nach Abbruch seines Studiums arbeitete er als Gabelstaplerfahrer, LKW-Fahrer und Restaurantaushilfe. 2007 fand er eine Anstellung bei der Stockholmer Zeitung "Moore Magazine". Eineinhalb Jahre später kündigte er und machte sich einen Namen als Blogger und Kolumnist. 2012 erschien sein erster Roman "Ein Mann namens Ove", der direkt zum Bestseller wurde und in 25 Sprachen übersetzt wurde. Weitere Werke von Backman sind unter anderem "Alles, was mein kleiner Sohn über die Welt wissen muss", "Oma lässt grüße und sagt, es tut ihr leid" und "Eine ganz dumme Idee". Aktuell lebt der Autor mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Stockholm. 

Fakten zum Buch "Der Handel deines Lebens"

  • Erscheinungsdatum: 27.09.2023
  • Verlag: Wunderraum im Goldmann Verlag, München
  • Autor: Fredrik Backman
  • Übersetzer: Antje Rieck-Blankenburg
  • Gebundenes Buch
  • Umfang: 80 Seiten
  • ISBN: 978-3442317165
  • Preis: 18 Euro

Mein Fazit

Dieses Buch ist kein leichter Unterhaltungsroman. Es ist nichts für einen gemütlichen Couch-Nachmittag bei einer Tasse Tee. Es hinterlässt Spuren. Zwingt zum Nachdenken. Ich muss sagen, ich habe die ganze Tragweite und Bedeutung erst beim zweiten Mal lesen erfasst.

 

Als Psychologin finde ich das Buch hervorragend, weil es mit den wirklich wichtigen Fragen des Lebens konfrontiert. Als Leser, der unterhalten werden will, bin ich etwas mehr im Zwiespalt. 

 

Die Geschichte springt zeitlich und was die Szenerie betrifft stark hin und her. Das ist nicht immer auf den ersten Blick offensichtlich und logisch. Die Figuren sind sehr minimalistisch gehalten. Ja, sie haben noch nicht einmal Namen. Es bleibt sehr viel Raum dafür, sich die Figuren selbst auszumalen. Vielleicht ist das Absicht, damit man sich selbst besser darin sehen kann. Aber nicht jeder ist derart reflektiert. Ich hätte mir gewünscht, ein bisschen mehr Emotionalität oder Einblicke ins Seelenleben zu bekommen. Gerade bei dem Mann was seinen inneren Kampf anbelangt: soll ich mich opfern oder nicht?

 

Den Preis finde ich mit 18 Euro für 80 Seiten sehr hoch gegriffen. Die Bilder sind minimalistisch und sehr plakativ. Ich hätte sie nicht gebraucht. 

 

Dieses Buch ist eindeutig eine der Schriften, die man entweder liebt oder hasst. Dazwischen gibt es nichts. Von meiner Seite aus gibt es eine klare Leseempfehlung - aber nicht mit der Erwartung, einen Roman zu lesen.

Meine Sternebewertung

Julia Georgi bewertet die Waffen des Lichts mit 5 von 5 Sternen

 

 

Hinweis: Die Fotos in diesem Artikel wurden selbst erstellt. Die Bildrechte für das Buch, alle Abbildungen und Texte liegen beim Goldmann Verlag. Das Buch wurde selbst gekauft. 

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